Planunterlagen: Lohbruegge24(1Aend)

Begründung

4.1.1. Hintergründe

Der Bezirk Bergedorf mit seinen etwa 130.000 Einwohnern wird in dem Vergnügungsstättenkonzept als eine kleinere „überschaubare“ Großstadt mit teilweise auch dörflichem Charakter beschrieben. Er ist geprägt durch nachbarschaftliches Miteinander mit vielen sozialen Einrichtungen und gemeinschaftlichem Engagement. Aufgrund seiner weitläufigen Landgebiete wird der Bezirk auch als „Garten Hamburgs“ bezeichnet.

Das städtebauliche Entwicklungsziel für den Wohnstandort Bergedorf ist demnach der Ausbau von urbanem Wohnen im Zentrum und Wohnen auf dem Lande.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des Vergnügungsstättenkonzepts u.a., Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellähnliche Einrichtungen an problematischen Standorten auszuschließen sowie an Standorten, die aus städtebaulicher Sicht als weniger sensibel eingestuft werden, zuzulassen. Des Weiteren sollen bedeutsame Gewerbestandorte gesichert werden.

Für den Bezirk hat die Bestandsanalyse des Vergnügungsstättenkonzepts ergeben, dass aufgrund des Angebots an erotikorientierten Vergnügungsstätten, Bordellen und bordellähnlichen Einrichtungen kein dringender Handlungsbedarf besteht. Jedoch können Anfragen für die Ansiedlung von Erotikgewerbe das Erfordernis auslösen, diese Nutzungen städtebaulich zu steuern, da eine gewisse Marktdynamik nicht ausgeschlossen werden kann und von diesen Einrichtungen städtebaulich negative Auswirkungen ausgehen können. Insbesondere sind solche Nutzungen in der Lage, höhere Grundstückspreise und Mieten zu erwirtschaften als die vor Ort angesiedelten Nutzungen. Darüber hinaus können solche Nutzungen zum Beispiel Veränderungen des städtebaulichen Charakters und sozialen Milieus, Ballungstendenzen, Ortsbildveränderungen, Mietpreisverzerrungen, Abwertungen von Standorten und Konflikte mit Nutzungen wie Wohnen, Schulen oder Kindergärten auslösen.

Die Nachfrage nach diesen Angeboten lässt aber auf ein gewisses „Grundbedürfnis“ in der Bevölkerung schließen.

Als potenzielle Standorte für Vergnügungsstätten kommen u.a. Kern-, Misch- und Gewerbegebiete in Betracht. Bordelle und bordellartige Betriebe (ohne Unterhaltungsangebote) sind als Gewerbebetriebe aller Art im Gewerbegebiet grundsätzlich zulässig.

Bordellartige Nutzungen sind gemäß einschlägiger Rechtsprechung mit Wohnnutzungen stets unvereinbar. Insbesondere Wohnnutzungen und soziale Einrichtungen stellen schutzwürdige Nutzungen dar, so dass gerade bei erotikorientierten Angeboten besonders hohe Anforderungen an Jugendschutz, Schutz von Wohnqualität und sozialer Einrichtung bestehen.

Eine ungesteuerte und uneingeschränkte Ansiedlung von Erotikangeboten in Gewerbegebieten kann auch die Ansiedlungsziele von Gewerbebetrieben negativ beeinflussen. Vor allem können sich im Zuge einer Agglomeration von Erotikangeboten negative städtebauliche Auswirkungen (Imageverlust, Trading Down) noch verstärken und angestrebte Nutzungen verdrängen.

Die Gefahr einer Ausbreitung von “Rotlichtangeboten“ ist mit dem gesamtstädtischen Charakter als „grüner, nachbarschaftlich geprägter Wohnbezirk“ nicht vereinbar.

4.1.2. Einordnung des Gewerbegebiets

Als mögliche Standorte für Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe wurden die Bergedorfer Gewerbegebiete im Rahmen des Vergnügungsstättenkonzepts im Hinblick auf ihre gesamtstädtische und bezirkliche Bedeutsamkeit untersucht. Je nach aktuellem Besatz und dem angestrebten Nutzungsmix gemäß den Vorgaben des Bergedorfer Gewerbeflächenentwicklungskonzepts lassen sich die bezirklich bedeutsamen Gewerbegebiete in drei Kategorien einteilen, für die das Vergnügungsstättenkonzept unterschiedliche Empfehlungen vorsieht:

  • Kategorie 1:

Diese Gewerbegebiete haben einen klaren Branchenschwerpunkt, eine hochwertige Ausrichtung, eine günstige Verkehrsanbindung. Die gewerbegebietstypische Nutzung überwiegt. In diesen Gewerbegebieten sollen zukünftig Vergnügungsstätten und Bordelle unzulässig werden.

  • Kategorie 2:

Diese Gewerbegebiete besitzen keinen eindeutigen Branchenschwerpunkt und sind in der Nähe zu anderen Gebietstypen wie Wohn-, Kern- und Mischgebieten angesiedelt. Hier herrscht eine stärkere Einzelhandelsprägung vor. In diesen Gewerbegebieten ist eine Zulässigkeit von nicht-kerngebietstypischen Vergnügungsstätten und eine Unzulässigkeit von Bordellen vorstellbar.

  • Kategorie 3:

Diese Gewerbegebiete zeichnen sich nicht durch einen besonderen Anspruch auf Adressbildung und Image aus. Ihre Standorte befinden sich in einer Randlage außerhalb der Landgebiete ohne Nähe zu Wohn-, Kern- und Mischgebieten. Ein heterogener Nutzungsmix ist vorherrschend; der Anteil an klassischem Gewerbe liegt unter 50 %. In diesen Gewerbegebieten ist eine Zulässigkeit von nicht-kerngebietstypischen Vergnügungsstätten (Tanzbars, kleinere Festsäle, Billard-, Dart-, Kickerbars, Spielhallen bis 100 m², kleine Wettbüros) und / oder Bordellen denkbar.

Gemäß dem Vergnügungsstättenkonzept sind

Bordelle, bordellartige Betriebe und Erotikangebote in bezirklich bedeutsamen Gewerbegebieten zulässig, die eine heterogene Nutzungsmischung aufweisen, in denen der Anteil des klassischen Gewerbes weniger als 50 % beträgt und die nicht in der Nähe zu Wohngebieten liegen, sowie im Gewerbegebiet Havighorster Weg.

Das Gewerbegebiet „Lohbrügge 24“ ist am ehesten der Kategorie 2 zuzuordnen, und die Kriterien für die Ansiedlung von erotikorientiertem Gewerbe treffen für dieses Gebiet nicht zu. Es ist umgeben von Wohngebieten, die in den Bebauungsplänen Lohbrügge 18 und 24 festgesetzt sind, und zudem von geringer Größe, so dass sich Vergnügungsstätten bzw. erotikorientiertes Gewerbe besonders und unabhängig von einem bestimmten Standort auf die Wohnumgebung auswirken können.

Zum Teil grenzen Wohngebiet und gewerblich nutzbare Flächen unmittelbar aneinander.

Das Umfeld des Gewerbegebiets ist geprägt nicht nur durch Wohnbebauung, sondern auch durch soziale und kulturelle Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Kirchen sowie vereinzelt Dienstleistungs- und Handelsbetriebe. Entlang der Lohbrügger Landstraße zeigen sich Tendenzen eines Trading-Downs (Leerstände, Geschäftsaufgaben). Zu den typischen Auswirkungen von Vergnügungsstätten und erotikorientiertem Gewerbe zählen insbesondere das Auftreten von Nutzungskonflikten, eine Veränderung des Images sowie die Tendenz zur Ballung.

Auf Grund dieser Situation bzw. entsprechend dem Vergnügungsstättenkonzept soll die Änderung des Bebauungsplans die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung schaffen.

4.1.3. Festsetzungen zu Vergnügungsstätten, Bordellen und bordellähnlichen Nutzungen

Wie zuvor geschildert, kann der Betrieb einer Vergnügungsstätte, eines Bordells oder einer bordellähnlichen Nutzung negative städtebauliche Auswirkungen auf die angrenzenden Wohngebiete bzw. eine gewerbliche Entwicklung haben und widersprechen solche Betriebe dem Vergnügungsstättenkonzept für das Plangebiet. Daher wird die Verordnung zum Bebauungsplan ergänzt um § 2 Nummer 4 Satz 1:

In dem Gewerbegebiet sind geld- beziehungsweise glücksspielorientierte Vergnügungsstätten, Bordelle, bordellartige Betriebe sowie Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, unzulässig.

In dem Vergnügungsstättenkonzept werden auch geldspielorientierte Vergnügungsstätten betrachtet. An der Lohbrügger Landstraße / Ecke Maikstraße wurde die Nutzungsänderung einer Spielhalle in ein Wettvermittlungsbüro genehmigt. Spielhallen und Wettvermittlungsstellen sind geldspielorientierte Vergnügungsstätten und werden unterhalb der Grenze von 100 m² planungsrechtlich als nicht–kerngebietsspezifische Vergnügungsstätten behandelt. Eine entsprechende Nutzfläche wurde genehmigt. Die genehmigte Wettvermittlungsstelle ist im Sinne eines Einzelfalles und mit der vorhandenen Geschossfläche aus städtebaulicher Sicht noch vertretbar.

Entsprechend setzt der neue § 2 Nummer 4 Satz 2 fest:

Die Nutzung und die genehmigte Geschossfläche des Wettbüros auf dem Flurstück 537 der Gemarkung Lohbrügge bleiben zulässig; der bauliche Bestand darf geändert werden.

Diese Festsetzung bedeutet, dass das Wettbüro hinsichtlich seiner Art der Nutzung und der Größe der Geschossfläche des Wettbüros einen Bestandsschutz entsprechend der erteilten Baugenehmigung besitzt, aber auch, dass eine Erweiterung der Geschossfläche ausgeschlossen ist. Diese Festsetzung bedeutet weiterhin, dass das Wettbüro mit der genehmigten Geschossfläche in einem neuen oder umgestalteten Gebäude auf dem Flurstück wiedererrichtet werden darf. Der vorhandene Bestandsschutz wird somit auf einen "überwirkenden" erweitert, so dass das Büro z.B. nach einem Totalverlust des Gebäudes wieder in der gleichen Größe betrieben werden kann, wenn auch in einer anderen baulichen Gestalt. Diese Festsetzung erfolgt, weil die Geschossfläche des vorhandenen Wettbüros mit weniger als 100 m² keine kerngebietsspezifische Vergnügungsstätte und somit städtebaulich noch vertretbar ist. Zugleich sollen aus städtebaulichen Gründen im Plangebiet keine weiteren Wettbüros hinzutreten, weil eine Häufung solcher Nutzungen im oben beschriebenen städtebaulichen Kontext nicht mehr vertretbar ist.

Insgesamt wird zwar die Zulässigkeit der in Nummer 4 genannten Nutzungen eingeschränkt bzw. ausgeschlossen; allerdings sind die Einschränkungen vertretbar, weil aus der ausgesprochen großen Zahl zulässiger gewerblicher Nutzungen lediglich einige wenige ausgeschlossen werden. Die übrigen nach § 9 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3787), zuletzt geändert am 12. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 184 S. 3) zulässigen Nutzungen bleiben auch unter Berücksichtigung des neuen § 2 Nummer 5 (siehe unten) weiterhin zulässig, so dass sich insofern der Bodenwert nur unwesentlich vermindert.

Die Regelung schließt zwar die Möglichkeit aus, im Plangebiet Entsprechendes anzusiedeln und verringert die Ansiedlungsmöglichkeiten im Bergedorf insgesamt, allerdings sind beispielsweise im Bebauungsplangebiet Lohbrügge 68 am Havighorster Weg erotikorientierte Nutzungen und nicht-kerngebietstypische Vergnügungsstätten ausdrücklich zulässig. Dort wurde von dem entsprechenden Planungsrecht noch kein Gebrauch gemacht, so dass weiterhin eine Alternative zu einem Standort im Bebauungsplan Lohbrügge 24 besteht.

Hinweis: Die Existenz von Vergnügungsstätten und Sexangeboten beruht auf einer gesellschaftlichen Nachfrage. Ergänzend zur standortspezifischen Steuerung erfolgt die grundsätzliche Sicherstellung von Suchtprävention, Spielerschutz und Jugendschutz nicht im Städtebaurecht, sondern ist eine Aufgabe anderer Rechtsgebiete wie des Gewerberechts (zum Beispiel Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages - HmbGlüÄndStVAG für staatl. Glücksspiel, Spielbanken, Wettbüros oder das Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Hamburg - HmbSpielhG für Spielhallen) oder im Hinblick auf Kriminalität des Ordnungs- und des Strafrechts.